BUND NRW Landesarbeitskreis Verkehr

Positionen des Landesarbeitskreises Verkehr, Stadtentwicklung und Flächennutzung im BUND Nordrhein-Westfalen

Wer sind wir?

Wir sind der Landesarbeitskreis (LAK) Verkehr, Stadtentwicklung und Flächennutzung des BUND Landesverbands NRW. Einmal im Monat treffen wir, die Aktiven im LAK, uns zum Austausch über aktuellen kommunalen und landespolitischen Themen rund um Mobilität, Stadtentwicklung und Flächennutzung. Jede*r kann Themen einbringen oder bei Problemen um Rat fragen. Wir stehen allen BUND Aktiven mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem entstehen im LAK Positionspapiere, die dem Landesvorstand zur Abstimmung gegeben werden.

Unsere Positionen

1. Mobilität

Sozial gerecht gestaltete Mobilität per ÖPNV

Menschen sollen im Umweltverbund, egal wie sie ökonomisch aufgestellt sind, gut und sicher unterwegs sein können. Ziel einer sozial gestalteten Mobilität muss die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben sein.

Dazu muss

  • der öffentliche Nahverkehr überall - auch im ländlichen Raum – attraktiv ausgebaut werden (Barrierefreiheit, ausgewogene Taktung, gute Umstiegsmöglichkeiten und sichere Abstell-Anlagen an Knotenpunkten)
  • der Fahrpreis sozial gerecht gestaltet werden (z.B. ein verbundübergreifendes Jahresticket)

Radverkehr

Radfahren ist neben zu Fuß gehen das stadt- und klimaverträglichste Verkehrsmittel. Um diese nachhaltige Mobilität zu steigern, muss eine attraktive Infrastruktur für Fuß- und Radfahrer geschaffen werden.

Wir fordern,

  • den Straßenraum neu und klimagerecht aufzuteilen - mehr Radwege und weniger Platz für Autos
  • eine weitestgehende Trennung von Fuß- und Radwegen, um Konflikte zu vermeiden
  • für Fahr- und Lastenräder (analog zu Carsharing- und E-Auto Parkflächen) Flächen umzuwidmen, so dass Fahrräder wettergeschützt und sicher abgestellt werden können
  • beim Ausbau des Radwegenetzes bereits vorhandene Strukturen zu nutzen und zu ergänzen (Lastenräder brauchen breitere Fahrradfahrspuren)
  • bei der Schaffung von neuen Radwegen auch die Artenvielfalt zu schützen
  • die Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA) um ökologische Aspekte zu ergänzen (keine Asphaltdecken im Wald, Park- und Grünanlagen, sowie in der freien Landschaft, sondern eine Priorität für wassergebundenen Decken)

Autoverkehr

Wir fordern,

  • die schnelle Beschlussfassung zu den Vorschlägen zum „Bundesmobilitätsgesetz" und die Umsetzung der dort vorgesehenen Maßnahmen (Bundesmobilitätsplan).
  • die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Gesetzesänderung der StVO zu initiieren, die zulässige Regel- und Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften auf 30 km/h zu reduzieren. Ausnahmen müssen in Bezug auf Sicherheit und Klimaschutz begründet werden.
  • die weiterhin bestehende autogerechte Ausrichtung in der Verkehrsplanung aufzubrechen vorrangig umwelt- und menschengerechte Verkehre zu fördern, im Sinne des BVerfG (Bundesverfassungsgericht) zum Klima Beschluss.

Lieferverkehr

Um den innerstädtischen Lieferverkehr nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten, brauchen die Kommunen mehr Befugnisse. Land und Bund müssen hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen.

Wir fordern

  • die Bereitstellung von Mitteln für die Stelle einer / eines Wirtschaftsverkehrsbeauftragten
  • die Schaffung einer Datenplattform und Unterstützung der Erhebung relevanter Daten
  • die Unterstützung bei der Einrichtung regionaler Modellprojekte
  • Umverteilungszentren außerhalb der Städte

2. Lebenswerte (Innen-)Städte

Wir fordern gezielte Maßnahmen und Regelungen, damit menschenfreundliche und autoreduzierte Innenstädte gefördert werden, in denen sich auch Kinder und alte Menschen angstfrei und gleichberechtigt – im Sinne von shared-Space - sicher bewegen können.

Dazu zählen,

  • Rahmenbedingungen zu schaffen für den grünen Umbau im Sinne des Klima-, Natur- und Umweltschutzes
  • mehr Grünflächen in der Stadt, den Baumbestand zu schützen, Fassadenbegrünung zu fördern und Wasserstellen im Sinne der Schwammstadt auszubauen
  • Innenstädte zu Orten umzubauen, an denen sich Menschen begegnen können, Treffpunkte, wie etwa Picknicktische können zum Verweilen einladen, ohne sofort Geld auszugeben
  • den ÖPNV und die Fahrradnutzung zum Pendeln in die Städte attraktiver und gleichzeitig die Nutzung des Autos unattraktiver und unnötig werden zu lassen
  • Städte als Gesundheitsstädte zu begreifen, etwa durch Möglichkeiten vor der Haustür sportlich aktiv werden zu können, Ruhe im fußläufig zu erreichenden Park zu finden und eine bessere Luftqualität
  • das von uns befürwortete Konzept der „15 Minuten Stadt“ und der damit einhergehenden Vergrößerung der Lebensqualität, besonders bei einer immer älter werdenden Gesellschaft
  • Kinderspielplätze, die bereits in der Landesbauverordnung verpflichtend festgelegt sind, im jeweiligen Bebauungsplan auch konsequent umzusetzen

3. Flächennutzung

Stopp und Prüfung aller Straßenneubauten und -planungen

Der Erhalt der natürlichen Ressourcen an Landschaft, Ackerland, Wald und Natur müssen Priorität haben und nicht der weitere Ausbau vom Individual- und LKW-Verkehr. Insbesondere mit Blick auf die Generationengerechtigkeit im zunehmenden Klimawandel und dessen Folgen ist dies von entscheidender Bedeutung. (Vgl. Urteile des BVG 2021).

Daher fordern wir,

  • alle Straßenneubauten und -planungen auf den Prüfstand zu stellen, sowohl in Bezug auf Planungen des Landes als auch in Bezug auf Planungen des Bundes und der Kommunen, auf die das Land NRW in jeglicher Art Einfluss nehmen kann
  • Mitteln bereit zu stellen, um alle Bauvorhaben in NRW zu prüfen (z.B. in Bezug auf alternative Umsetzungsmöglichkeiten im Bestand und auf alternativen Verkehrsträgern)
  • Optimierung des bestehenden Straßenverkehrs durch neue Techniken, intelligente Verkehrssteuerung, zeitliche Entzerrung von Verkehrsaufkommen, etc. zu verwirklichen

Neuversiegelung von Boden reduzieren auf Ziel „Netto Null“

Die weitere Inanspruchnahme von Flächen der Landwirtschaft, Wald, Natur und Landschaft für Gewerbegebiete und Wohnbebauung muss unterbleiben. Jede noch „unversiegelten“ Hektar Land in seinen natürlichen ökologischen Funktionen wird angesichts der zunehmenden Hitze- und Dürreperioden sowie der zunehmenden Starkregenereignissen und angesichts der Welternährungslage dringend gebraucht.

Daher fordern wir,

  • bei Straßen- Gewerbegebiets und Siedlungsplanung das Ziel „Netto Null“ zu erreichen (Fläche dürfen nur noch dann versiegelt werden dürfen, wenn anderweitig mindestens in gleicher Größe rekultiviert oder renaturiert werden)
  • das aktuelle System von Ausgleichspunkten grundlegen zu reformieren, da es ungeeignet ist
  • die Förderung von Konzepten zur Umnutzung bestehender versiegelter Flächen (Monitoring und intelligentes Management von Leerständen und Renovierungspotentialen)
  • eine innerstädtische Schließung von Baulücken, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig dem Flächenfraß entgegenzuwirken. Dies darf nicht zu Lasten von Frischluftschneisen gehen.
  • beim Neubau von Supermärkten etc. weitere Stockwerke für z. B. Büros und Wohnungen zu bauen
  • sicherzustellen, dass die landwirtschaftlichen Flächen für die Produktion von Nahrung nicht weiter reduziert werden (z. B. ist Deutschland jetzt schon zu 63% vom Import von Gemüse abhängig)

Freiflächen-Photovoltaik (PV)

Für die Energiewende wird neben den PV-Anlagen an Gebäuden und auf bebauten Flächen ein Anteil von 0,5 % der Landesfläche für Freiflächenanlagen gefordert. Das entspricht über 10 Jahre einem täglichen Bedarf von 5 ha, das ist ebenso viel wie zurzeit für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen veranschlagt wird. Diese Flächen stehen in einem dicht besiedelten Land wie NRW nicht zur Verfügung.

Daher fordern wir,

  • bisher ungenutzten Potenziale auszuschöpfen (auf den Dächern von Wohnhäusern, auf Dächern und an Fassaden von Einkaufszentren Gewerbe- und Logistikhallen, über großen Park- bzw. Abstellplätzen, an Lärmschutzwänden etc.)
  • die schon vorhandene Verpflichtung in der Landesbauordnung, auf größeren Parkplätzen PV-Anlagen zu installieren, auf die Gebäude (Dächer, Fassaden) auszudehnen
  • Freiflächen-PV-Anlagen nur dann zuzulassen, wenn die Potenziale im bebauten Bereich ausgeschöpft sind und nur soweit dies den Naturschutz oder die landwirtschaftliche Nutzung nicht behindert
  • Bebauungspläne dahingehend zu ändern, dass bei Neubauten PV-Anlagen gesetzlich verpflichtend werden

Kostengerechte Bewirtschaftung und Reduzierung des Parkraums.

Durch Parkräume für Autos gehen wertvolle Flächen für die innerstädtische Lebensqualität verloren. Dies gilt nicht nur in den Zentren, sondern auch in den Siedlungsräumen. Deshalb fordern wir, rechtliche Rahmenbedingungen zur Bewirtschaftung und Reduzierung des öffentlichen Parkraums.

Wir fordern

  • eine Reduzierung des öffentlichen Parkraums bei gleichzeitiger Erhöhung der Kosten für das Parken in Innenstädten
  • die Einnahmen aus der Bewirtschaftung des öffentlichen Parkraums zweckgebunden in den öffentlichen Raum zurückfließen zu lassen (etwa in den Radwegebau oder den öffentlichen Nahverkehr)
  • Eigentümer von Parkplätzen zu verpflichten diese mit PV Anlagen auszustatten
  • Zentrale Parkhäuser und Quartiersgaragen zur Entlastung der Städte

Nachhaltiges Bauen

Für nachhaltiges und klimaschonendes Bauen muss die Landesbauordnung transformiert werden. Wir fordern eine Landesbauordnung, die Abriss erschwert sowie Umbau und Erhalt von Bestandsgebäuden erleichtert.

  • Wir fordern, dass die Beseitigung von Gebäuden, aller Gebäudeklassen zukünftig genehmigungspflichtig wird
  • Eine Abrissgenehmigung sollte nur nach vorangegangener Lebenszyklusanalyse (LCA) und Lebenszykluskostenberechnung (LCC) erteilt werden. Dabei sind Klimakosten einzupreisen. Alternativ ist nachzuweisen, dass die vorgesehene Nutzung sowie eine Nutzungsalternative aufgrund eingeschränkter Tragfähigkeit nicht erreicht werden können.
  • Die Instandhaltungspflicht nach §3 (1) BauO NRW ist auszuweiten und zu verschärfen. Die Abbruchanordnung soll durch Möglichkeiten der Pfändung oder Enteignung ersetzt werden, wenn der Instandhaltungspflicht nicht nachgekommen wird.
  • Die Landesbauordnung muss auf die Herausforderungen von Bestandsgebäuden eingehen, indem Hemmnisse wie zum Beispiel Abstandsflächen für An- und Umbauten reduziert werden. Hinsichtlich der Brandschutz- und Schallschutzanforderungen bei Umbauten sind Einzelfall-Regelungen zu überwinden, um Planungssicherheit herzustellen.

Literatur: Architects For Future e.V. (Hg.): Klimaneutrales bzw. klimapositives Bauen: Vorschläge für eine Muster(um) -bauordnung, Bremen, 2021

Stand Mai 2022